Winfred Gaul
Ohne Titel (Gillette 1963), 1963
Collage, farbige Kreiden und Siebdruck auf Bristolkarton
65 × 50 cm
signiert und datiert u. r. »GAUL '63«; verso signiert und datiert: »GAUL 63«
(GAULW/M 84)
verkauft
Literatur: Lothar Romain, Winfried Gaul. Der Maler. München 1999, Nr. 91; Winfred Gaul. Werke der Pop Art, Galerie Schlichtenmaier, Grafenau / Dätzingen 2016, S. 23
Die mit bunten Kreiden differenzierte Serigrafie-Folge mit collagierten Elementen gehört zu den feinsinnigsten Pop-Art-Bildern von Winfred Gaul. Der serielle Charakter des Drucks erinnert an klassische Grafiken Andy Warhols, allerdings begegnet Gaul den Vorbildern mit hintergründiger Ironie: Mit dem (Unter-)Titel »Gilette« und der vielfach reproduzierten Abbildung eines sich rasierenden Mannes präsentiert er eine Traditionsmarke, deren Produkt den Alltag prägte wie wenige andere - ohne dass man automatisch an Kunst denkt. Das gehörte zum Erfolgkonzept der Pop Art, die damit auch ein Gesellschaftsbild transportierte, das zwischen Marktzwängen und politisierter Haltung changierte. Winfred Gaul setzte sich in diesen Jahren mit der amerikanische Diskussion um die Todesstrafe auseinander (vgl. »Kleines Galgenbild", 1963, Museum Ludwig, Köln), so dass man das hier multipliziert dargestellte Bildnis mit den verbundenen Augen auch einem Hinrichtungsopfer zuordnen könnte, dem sein Lächeln zum zynischen Grinsen gefroren ist. Die Rasur würde dadurch etwas Bedrohliches erhalten, wobei sie dessen ungeachtet nicht selten im 20. Jahrhundert als Symbol für Wendezeiten auftaucht (James Joyce, »Ulysses«; Max Frisch, »Homo Faber« usw.). Gaul könnte also auch auf den Pradigmenwechsel verweisen, den er und etliche seiner Generationskollegen in den frühen 1960er Jahren von der informellen zur informativen Kunst vollzogen. Die freien Details dieses Blattes und anderer der Serie zeigen geometrische Muster oder auch Baustellenschild-Motive, die deutlich machen, dass die Bilder im Rahmen der Verkehrszeichen und Signale entstanden sind.